Was muss das für ein Ereignis gewesen sein, wenn damals die Schausteller mit ihren Wohn- und Packwagen zu den Festplätzen auffuhren. Wie beschwerlich und vor allen Dingen auch gefährlich das Reisen zu jener Zeit aber gewesen sein muss, lässt sich heute kaum mehr vorstellen. Mit Romantik hatte das nicht viel zu tun. Beladen mit einem schweren Karussell, beispielsweise einer Berg- und Talbahn, einem Doppelkarussell oder einer Schaubude mit ihrer mächtigen Front, wurden die Wagen zunächst mittels Pferdekraft gezogen. Und selten waren die Straßen- und Wetterverhältnisse optimal. So stellte der Transport einen unglaublichen Kraftakt für Mensch und Tier dar.
Hierzu schrieb Robert Thomas, Schaustellergehilfe in den 1880er Jahren, in seinem im Jahre 1905 erschienenen Buch „Unter Kunden, Komödianten und wilden Tieren“:
„Unterwegs kamen wir an eine Stelle, wo die Straße mit zerschlagenen Steinen frisch aufgeschüttet war. Wir hatten zu unserm Transport fünf Paar Pferde, die wir alle vor den Wohnwagen spannten, aber es wurde ihnen schwer, den Wagen über die aufgeschüttete Stelle wegzuziehen. Vor unseren beiden Packwagen spannten wir die Dampfstraßenwalze, und dieser gelang es auch, die Wagen eine Strecke vorwärts zu bringen, schließlich blieb sie aber stehen, und die Räder der Dampfstraßenwalze drehten sich, ohne dass sie weitergekommen wäre. Wir mussten also mit Winden und Bohlen nachhelfen und verloren bei dieser Arbeit mehrere Stunden.“
Um größere Entfernungen bewältigen zu können, wurden die Pack- und Wohnwagen dann mit der Bahn transportiert. Doch auch das Be- und Entladen und der Transport zum Festplatz nahm sehr viel Zeit in Anspruch. Diese Fahrten wurden zumeist von ortsansässigen Fuhrunternehmen ausgeführt, je nach Größe des Geschäftes zogen mehrere Gespanne den Transport. Überhaupt war das Pferd in der damaligen Zeit unverzichtbar, denn es zog nicht nur die Wagen, sondern war ebenso „Antriebskraft“ der Karussells.
Zogen die Schausteller im ländlichen Bereich bis nach 1900 noch mit ihren Pferdewagen von Ort zu Ort, kamen bald jedoch die ersten Zugmaschinen auf.
Mit der in den 1880er Jahren aufkommenden Elektrifizierung der Karussells ergaben sich völlig neue Möglichkeiten. Damit der elektrische Strom an Ort und Stelle erzeugt werden konnte, entstanden die ersten mobilen Beleuchtungswagen zur Stromerzeugung. Sehr schnell wurden diese fahrbaren Dampfmaschinen mit Dynamo zu einem festen Bestandteil auf den Festplätzen, die den Strom für die prachtvolle elektrische Beleuchtung lieferten. Während die Elektro-Lokomobile in der Regel Kohle verbrannten, wurde die Dampfmaschinen im Karussellinneren mit Koks befeuert, um das Risiko des Funkenflugs auf die Planen und Leinwände zu reduzieren. Doch war dies nicht die einzige Gefahr, die von den Dampfmaschinen ausgehen konnte. Vor allem in der Frühzeit der Dampfkraft ereigneten sich zahlreiche Unglücksfälle. Die Explosion eines Kessels und andere Zwischenfälle führten in manchen Orten zu einem Verbot der Lokomobile auf dem Festplatz. So wurde im Jahre 1892 aus diesem Grund auch auf dem Oktoberfest die Verwendung von Dampfmaschinen untersagt.
Welche große Bedeutung die Verbreitung der Dampflokomobilen im Schaustellerbetrieb für den deutschen Dampfmaschinenbau hatte, zeigt eine Statistik vom Hamburger Dom aus dem Jahre 1912. Von den insgesamt 52 dort betriebenen Lokomobilen mit einer Gesamtleistung von 2.100 Pferdestärken waren allein 37 in Deutschland hergestellt. Davon stammten 21 Exemplare aus dem Werk der Mannheimer Firma Lanz.
Anfang der 1920er Jahre erschienen die ersten mobilen Lanz-Bulldogs. Den Namen erhielt dieses Fahrzeug vom Aussehen der ersten Bulldog-Motoren, die eine gewisse Ähnlichkeit mit einer Bulldogge aufwiesen. Die Einfachheit und Robustheit waren der Erfolg dieser zuverlässigen Fahrzeuge, die mit günstigem Rohöl betrieben werden konnten.
Eine Besonderheit der Bulldogs war, dass er anfangs ein Zweiganggetriebe ohne Rückwärtsgang besaß. Daher musste zum Rückwärtsfahren bei den frühen Modellen die Drehrichtung des Motors umgesteuert werden. Das erforderte einige Übung und war auch nicht ganz ungefährlich. Die Drehzahl musste fast zum Stillstand gesenkt werden und dann im richtigen Moment wieder erhöht werden, damit die Kurbelwelle in entgegengesetzter Richtung lief.
Mitte der 20er Jahre folgten Hanomag und Deutz Traktoren in speziellen Straßenschleppervarianten. Anders als bei den Ackerschleppern hatten diese eine angepasste Bereifung und spezielle Getriebe, die eine höhere Geschwindigkeiten erlaubten. Noch heute sind diese alten Zugmaschinen der Stolz eines jeden Schaustellers, waren sie jahrzehntelang ständiger Begleiter und unverzichtbares Hilfsmittel beim Transport, beim Rangieren auf dem Platz und auch als Antriebsmittel zur Stromversorgung. Sie werden heute mit viel Liebe und Aufwand gehegt, gepflegt und gerne präsentiert.
Die Mitglieder der Historischen Gesellschaft sind stolz darauf, eine große Anzahl historischer Zugmaschinen in Ihren Sammlungen zu besitzen. Dazu gehören auch besonders seltene und exotische Exemplare. In dieser Ausgabe präsentieren wir einige typischen Modelle der Hersteller Lanz, Hanomag und Deutz. In den nächsten Ausgaben präsentieren wir weitere Sammlungsstücke der Hersteller Kaelble, Kramer, Magirus usw. aber auch besonders seltene Exoten, wie z.B. Fahrzeuge der Firma Betz aus Köln.
Bildnachweis: Sammlung Fredebeul
Quellen: „Vom Karussellpferd zur Raketenbahn“, Susanne Köpp-Fredebeul